Winzer und Landwirte diskutieren mit Ministerin Eisenmann

Besuch in Kappelrodeck

30.08.2019, 08:29 Uhr | Mittelbadische Presse/ARZ/Berthold Gallinat
Winzer und Obstbauern aus Kappelrodeck nutzten den Besuch der Kultusministerin Susanne Eisenmann, um auf die tiefgreifende Problematik des Volksbegehrens Artenschutz hinzuweisen. © Berthold Gallinat
Winzer und Obstbauern aus Kappelrodeck nutzten den Besuch der Kultusministerin Susanne Eisenmann, um auf die tiefgreifende Problematik des Volksbegehrens Artenschutz hinzuweisen. © Berthold Gallinat


Ein großes Plakat gegen das Volksbegehren Artenschutz und die Frage »Haben wir eine Zukunft?« war das Erste, was Kultusministerin Susanne Eisenmann am Donnerstagabend sah, als sie zum Gespräch über Themen des ländlichen Raums und der Bildung im Winzerkeller Hex vom Dasenstein eintraf.

Winzer und Obstbauern aus Kappelrodeck empfingen die Ministerin auf dem Burgunderplatz vor dem Winzerkeller und trugen der Kultusministerin und Spitzenkandidatin der CDU für die nächste Landtagswahl in Baden-Württemberg ihre Existenzsorgen vor: »Artenschutz ist uns Winzern und Obstbauern wichtig, aber das ›Volksbegehren Artenschutz‹ geht zu weit, so weit, dass viele von uns sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Landwirtschaft ihre Existenz verlieren.« Susanne Eisenmann hörte aufmerksam zu, sie konnte die vorgetragenen Argumente und Sorgen nachvollziehen und sicherte zu, für eine bessere Lösung zum Artenschutz zu kämpfen. 

»Kein Verständnis«

Susanne Eisenmann kam auf Einladung von MdL Willi Stächele nach Kappelrodeck. Impulsreferate im voll besetzten Burgundersaal des Winzerkellers Hex vom Dasenstein eröffneten den Themenabend, der Vorstandsvorsitzende des Winzerkellers Hex vom Dasenstein Alois Huber, Bürgermeister Stefan Hattenbach, der Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands Peter Wohlfarth und der Präsident des Landesverbandes Baden-Württembergischer Erwerbobstbau Franz Josef Müller trugen sie vor. Alois Huber wehrte sich dagegen, dass Winzer und Landwirte eigentlich nur noch als Umweltvergifter betrachtet werden: »Problem ist: Es gibt kein Verständnis mehr für die Agrarwirtschaft. Pflanzenschutz ist notwendig, auch die Bio- und Ökoproduktion benötigt Pflanzenschutz.« Nach wie vor seien die geschmähten Landwirte diejenigen, die Kulturlandschaft pflegen und erhalten, was auch dem Tourismus zugut komme. Bürgermeister Stefan Hattenbach stellte heraus: »Baden-Württemberg ist über die Fläche stark und ausgeglichen, was also dem ländlichen Raum schadet, schwächt das ganze Land. Deshalb gilt es, die Sache des ländlichen Raums zur Chefsache zu machen.« Hattenbach riss als Themen an: Gemeindeentwicklung, Digitalisierung des ländlichen Raums, Gesundheit- und Pflegeversorgung, Verkehrsbelastung und Förderung des ÖPNV, Schulen vor Ort, Infrastruktur der Gemeinden. Er setzte sich in einem engagierten Plädoyer für die Förderung und Unterstützung der Landwirtschaft ein. 

Peter Wohlfahrt schilderte: »Die Weinwirtschaft steht vor Herausforderungen, wie es sie in den letzten 50 Jahren nie gab.« Er plädierte für eine Mehrgefahrenversicherung, für die steuerfreie Rücklage für Landwirte und für Steillagenprogramme und bat die Ministerin, sich für den ländlichen Raum einzusetzen. 

Desgleichen tat Franz Josef Müller und warnte: Wenn das angestrebte Volksbegehren Artenschutz kommt, dann gehen ganze Landstriche für die Landwirtschaft verloren, angefangen vom Kaiserstuhl über die Baar bis zum Obstbau am Bodensee. 

»Zentrale Säule«

»Der ländliche Raum ist zentrale Säule unseres Landes, wirtschaftlich wie auch für den Tourismus«, bestätigte Susanne Eisenmann und sah als wichtigen Punkt: »Wir müssen alles dafür tun, dass wir die Gesellschaft nicht spalten. Eine Politik der Spaltung ist nicht zukunftsfähig«. 

Die Allgemeinurteile, dass Landwirte Tiere quälen, Pestizide rauspumpen und auf maximalen Gewinn aus seien, was zum Teil sogar zu Mobbing von Bauernkindern an Schulen geführt habe, dürften nicht hingenommen werden. Zum Volksbegehren sagte sie: »Was in Bayern Gesetz wurde, ist in Baden-Württemberg bereits Standard, und was jetzt realitätsfern und romantisierend für Baden-Württemberg gefordert wird, darf nicht Grundlage für die Zukunft werden.« Sie stellte in Aussicht, gemeinsam mit Verbänden einen Gesetzentwurf zum Artenschutz einzubringen und zur Abstimmung zu bringen. 

»Kein Schließkonzept«

Zum Thema Schulen sagte sie: »Das Konzept ›Kurze Beine, kurze Wege‹ steht. Mit uns wird es kein Schließkonzept für kleine Grundschulen geben und es muss wieder in die Köpfe: Der Mensch beginnt nicht erst beim Abitur.« Den Nachholbedarf in der Digitalisierung des Landes gestand sie ein, zum Erhalt der Versorgung auf dem Land plädierte sie, dass dem Verbraucher klar sein müsse, dass er mit seinem Konsumverhalten wesentlich dazu beitrage, dass infrastrukturelle Elemente zur Versorgung des ländlichen Raums erhalten bleiben. 

Einen politischen Seitenhieb wollte sie sich nicht verkneifen: »Die Fraktion, die im Bundestag am meisten fliegt, sind die Grünen.«

 

Hintergrund

Volksbegehren Artenschutz

Was verbirgt sich hinter dem angestrebten »Volksbegehren Artenschutz – Rettet die Bienen« in Baden-Württemberg? Es ist eine Aktion von zahlreichen Trägern, sie ist vom Innenministerium genehmigt und startet am 24. September.
Das Begehren sieht vor, dass 50 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion bis 2035 Ökolandbau sein müssen. In Baden-Württemberg wird aktuell auf 14 Prozent der Fläche ökologisch gewirtschaftet. Der Marktanteil der Bio-Lebensmittel wächst zwar seit acht Jahren, liegt aber trotzdem erst bei 5,2 Prozent.
Im Schnitt gibt der Deutsche 116 Euro pro Jahr für Bio-Lebensmittel aus. Von diesen Zahlen ausgehend, so argumentieren die Gegner des Volksbegehrens, wären die Folgen, dass deutlich mehr Biolebensmittel erzeugt als nachgefragt würden. Der Verbraucher müsste mindestens vier Mal so viel für Bio-Lebensmittel ausgeben wie bisher, damit die Bio-Landwirte von ihrer Arbeit leben könnten.
Das Volksbegehren fordert ein komplettes Verbot von Pestiziden und Bioziden in Schutzgebieten. Zu diesen zählen nicht nur Naturschutzgebiete, sondern auch Landschaftsschutzgebiete wie der Kaiserstuhl, Bodenseegebiet und andere. Wichtig sei zu wissen, so die Gegner, auch die Bio-Landwirtschaft kommt nicht ohne Pestizide und Biozide aus. Als Folge sehen sie: In Schutzgebieten wäre keine Landwirtschaft mehr möglich, insbesondere keine Sonderkulturen wie Weinbau, Hopfen und Obstbau. Damit würden Kulturlandschaften wie Weinbau- und Obstlandschaften verschwinden.
Der Appell der Gegner des Volksbegehrens lautet: »Unterschreiben Sie das Volksbegehren nicht, lassen Sie uns gemeinsam nach Wegen suchen, was wir alle gesamtgesellschaftlich für den Artenschutz tun können und müssen.«
Das Volksbegehren braucht innerhalb von sechs Monaten die Zustimmung von zehn Prozent der Wahlberechtigten. Der Landtag debattiert dann den Gesetzentwurf, kann ihn aber nicht anpassen. Lehnt er ihn ab, kommt es zum Volksentscheid.